Skip to content

Abnahme durch Hausverwalter unwirksam: Kostenvorschuss bei Balkonmängeln

Eine Wohnungseigentümergemeinschaft kämpfte fast zwei Jahrzehnte gegen einen Bauträger wegen massiver Balkonmängel, deren Abnahme durch den Hausverwalter bereits 2005 erfolgte. Doch genau diese vermeintliche Abnahme des Gemeinschaftseigentums hielt einer gerichtlichen Prüfung nicht stand.

Zum vorliegenden Urteil 28 U 3253/23 Bau | Schlüsselerkenntnis | FAQ  | Glossar  | Kontakt

Das Wichtigste in Kürze

  • Gericht: Oberlandesgericht München
  • Datum: 19.12.2023
  • Aktenzeichen: 28 U 3253/23 Bau
  • Verfahren: Berufungsverfahren
  • Rechtsbereiche: Werkvertragsrecht, Wohnungseigentumsrecht, Verjährungsrecht

  • Das Problem: Die Wohnungseigentümergemeinschaft verlangte von der Bauträgerin Geld für die Reparatur mangelhafter Balkone. Die Bauträgerin weigerte sich und verwies auf eine angebliche frühere Abnahme.
  • Die Rechtsfrage: Hat die Wohnungseigentümergemeinschaft Anspruch auf Geld für die Reparatur mangelhafter Balkone? Oder ist der Anspruch wegen einer früheren Bauabnahme oder Verjährung unwirksam?
  • Die Antwort: Ja, die Wohnungseigentümergemeinschaft hat Anspruch auf den Kostenvorschuss. Die angebliche Bauabnahme durch den Verwalter war unwirksam, und die Mängel sind nicht verjährt.
  • Die Bedeutung: Dieses Urteil stärkt die Rechte von Wohnungseigentümergemeinschaften bei Baumängeln am Gemeinschaftseigentum. Es macht klar, dass eine Bauabnahme durch einen Hausverwalter oft nicht gültig ist.

Der Fall vor Gericht


Worum ging es bei diesem jahrelangen Streit im Kern?

Eine Unterschrift auf einem Abnahmeprotokoll. Für den Hausverwalter im Jahr 2005 wohl reine Routine. Für den Bauträger sollte sie der rettende Anker sein, der ihn vor allen späteren Forderungen bewahrt.

WEG-Vertreter beraten den Anwalt zu Balkonmängeln. Er dokumentiert Kostenvorschuss-Ansprüche, prüft Baupläne und unwirksame Abnahme.
OLG erklärte Abnahme für unwirksam; WEG erhält knapp 700.000 Euro Sanierungskostenvorschuss. | Symbolbild: KI-generiertes Bild

Doch genau dieses eine Schriftstück wurde zum Zankapfel in einem Rechtsstreit, der fast zwei Jahrzehnte dauerte und am Ende knapp 700.000 Euro kostete. Eine Wohnungseigentümergemeinschaft (WEG) entdeckte massive Mängel an den Balkonplatten ihres 2003 errichteten Neubaus. Der Beton war fehlerhaft gemischt, Wasser drang ein, die Bausubstanz litt. Die Gemeinschaft forderte vom Bauträger einen Kostenvorschuss für die Sanierung – eine Summe von fast 700.000 Euro. Der Bauträger weigerte sich zu zahlen. Er meinte, alle Fristen seien längst abgelaufen.

Wieso war der Bauträger so sicher, nicht zahlen zu müssen?

Der Bauträger baute seine gesamte Verteidigung auf einem einzigen Ereignis auf: der Abnahme des Gemeinschaftseigentums am 8. Juni 2005. Im Baurecht ist die Abnahme ein Schlüsselmoment. Sie ist die offizielle Bestätigung des Bauherrn, dass das Werk im Wesentlichen vertragsgemäß ist. Mit der Abnahme beginnt die fünfjährige Verjährungsfrist für Mängelansprüche. Der Bauträger argumentierte, der damalige Hausverwalter habe die Immobilie für die Gemeinschaft abgenommen. Die Mängel seien erst viele Jahre später, 2012, gerügt worden. Die Frist war aus seiner Sicht also längst verstrichen. Seine Logik war einfach: Abnahme 2005, Fristende 2010. Jede Forderung danach komme zu spät.

Warum erklärte das Gericht die Abnahme für unwirksam?

Das Oberlandesgericht München pulverisierte die Argumentation des Bauträgers. Der entscheidende Fehler lag nicht im Handeln des Verwalters, sondern in den Verträgen des Bauträgers selbst. Dort fand sich eine Klausel, die den ersten Verwalter pauschal zur Abnahme des Gemeinschaftseigentums ermächtigte. Solche Klauseln in Allgemeinen Geschäftsbedingungen sehen Gerichte extrem kritisch. Die Abnahme ist ein zentrales Recht des Käufers. Dieses Recht darf nicht einfach auf einen Dritten – wie den oft vom Bauträger selbst eingesetzten Erstverwalter – übertragen werden, ohne dass dessen Objektivität und Sachkunde sichergestellt sind. Die Klausel war eine unangemessene Benachteiligung der Käufer. Sie war von Anfang an nichtig. Der Bauträger konnte auch nicht beweisen, dass die Eigentümer später aus freiem Willen eine wirksame, neue Abnahme beschlossen hätten. Der Verweis auf einen späteren WEG-Beschluss ging ins Leere, weil dieser aus Sicht der Richter nur die unwirksame Vertragsklausel fortsetzte, anstatt eine eigenständige Entscheidung zu treffen. Ohne wirksame Abnahme hatte die Verjährungsfrist nie so begonnen, wie der Bauträger es behauptete.

Gehörten die kaputten Balkone überhaupt der Gemeinschaft?

Der Bauträger versuchte einen weiteren Fluchtweg. Er behauptete, die Balkone seien Sondereigentum der jeweiligen Wohnungsinhaber. Dann hätte die WEG als Gemeinschaft gar kein Recht, Ansprüche geltend zu machen. Jeder Eigentümer hätte einzeln klagen müssen. Auch hier folgte das Gericht ihm nicht. Es stellte klar, dass tragende Bauteile eines Gebäudes zwingend zum Gemeinschaftseigentum gehören. Balkonplatten sind für die Statik des gesamten Hauses relevant. Sie können daher rechtlich gar nicht im Sondereigentum eines Einzelnen stehen. Die Zuständigkeit der klagenden Wohnungseigentümergemeinschaft war damit bestätigt.

Durfte der Bauträger einen Abzug „Neu für Alt“ fordern?

In einem späten Manöver brachte der Bauträger noch ein letztes Argument ins Spiel: den sogenannten Abzug „Neu für Alt“. Die Idee dahinter ist ein Billigkeitsgedanke. Wenn durch eine Reparatur ein alter Gegenstand durch einen komplett neuen ersetzt wird, hat der Eigentümer einen Vorteil – sein Eigentum ist nun mehr wert als vor dem Schaden. Diesen Vorteil muss er sich manchmal anrechnen lassen. Das Gericht schmetterte diesen Einwand ab. Im Werkvertragsrecht hat der Besteller von Anfang an einen Anspruch auf ein mangelfreies Werk. Ein Abzug kommt nur in seltenen Ausnahmefällen infrage. Hier wog das Verhalten des Bauträgers schwerer. Er hatte die Sanierung über ein Jahrzehnt lang verweigert und den Prozess in die Länge gezogen. Das Gericht machte klar: Wer seine Pflichten derart lange ignoriert, kann sich am Ende nicht darauf berufen, dass die Eigentümer durch die überfällige Sanierung einen Vorteil erlangen. Das wäre eine Belohnung für vertragswidriges Verhalten.

Waren die Ansprüche der Eigentümer nicht längst verjährt?

Die Frage der Verjährung blieb bis zuletzt das Kernthema. Doch alle Argumente des Bauträgers dazu liefen auf die angebliche Abnahme im Jahr 2005 hinaus. Da das Gericht diese Abnahme als rechtlich nicht existent bewertete, fiel das Fundament der Verjährungseinrede in sich zusammen. Der Startschuss für die Frist war nie gefallen. Die Mängelrügen der Eigentümergemeinschaft im Jahr 2012 waren somit rechtzeitig. Der Anspruch auf den Kostenvorschuss bestand. Das Urteil der Vorinstanz über knapp 700.000 Euro wurde bestätigt.

Die Urteilslogik

Gerichtliche Entscheidungen legen klare Prinzipien für die wirksame Abnahme und die Verjährung von Baumängeln fest.

  • Unwirksame Abnahmevollmacht: Allgemeine Geschäftsbedingungen können die Abnahme des Gemeinschaftseigentums nicht pauschal auf den Erstverwalter übertragen, denn dies benachteiligt die Käufer unangemessen.
  • Gemeinschaftseigentum Balkone: Tragende Bauteile eines Gebäudes, wie etwa Balkonplatten, gehören zwingend zum Gemeinschaftseigentum, weil sie die Gesamtstatik beeinflussen.
  • Verjährungsbeginn: Die Verjährungsfrist für Mängelansprüche startet erst mit einer wirksamen Abnahme des Bauwerks.

Die Einhaltung formaler und materieller Voraussetzungen schützt die Rechte der Käufer gegenüber Bauträgern nachhaltig.


Benötigen Sie Hilfe?


Benötigt Ihre WEG Kostenvorschuss für Balkonmängel nach unwirksamer Abnahme? Kontaktieren Sie uns für eine unverbindliche Ersteinschätzung Ihrer Situation.


Experten Kommentar

Die Annahme, eine standardisierte Klausel im Bauträgervertrag gäbe dem Erstverwalter pauschal die Macht zur Abnahme, ist ein Trugschluss. Das Gericht hat hier klargemacht: Eine solche Klausel, die das wichtige Abnahmerecht der Käufer auf Dritte überträgt, ist unwirksam und benachteiligt die Wohnungseigentümer unangemessen. Für die WEG ist das Gold wert, denn ohne wirksame Abnahme beginnt die entscheidende Verjährungsfrist für Baumängel oft gar nicht erst zu laufen. Es zeigt: Auch nach Jahren können erhebliche Mängelansprüche für Gemeinschaftseigentum wie Balkone noch durchsetzbar sein, wenn die Abnahme nie korrekt erfolgte.


Häufig gestellte Fragen (FAQ)

Was beinhaltet ein Kostenvorschuss bei Baumängeln?

Ein Kostenvorschuss ist eine gerichtliche Vorauszahlung, die eine Wohnungseigentümergemeinschaft (WEG) von ihrem Bauträger fordern kann. Er ermöglicht es der WEG, festgestellte, substanzielle Baumängel wie fehlerhafte Balkone selbst zu sanieren, wenn der Bauträger seine Reparaturpflicht hartnäckig ignoriert. Dies sichert Ihr Recht auf ein mangelfreies Werk und verhindert, dass Sie hohe Sanierungskosten vorstrecken müssen.

Juristen nennen das Werkvertragsrecht einen zentralen Pfeiler bei Bauvorhaben. Von Anfang an haben Sie als Bauherr oder Wohnungseigentümergemeinschaft einen Anspruch auf ein mängelfreies Objekt. Kommt der Bauträger dieser Pflicht nicht nach, können Sie die Mängelbeseitigung nicht nur fordern, sondern die Kosten dafür auch im Voraus einklagen. Der Kostenvorschuss deckt die geschätzten Sanierungskosten ab, damit die WEG die notwendigen Arbeiten ohne finanzielle Vorleistung beauftragen kann.

Interessanterweise kann der Bauträger sich bei langjähriger Verweigerung der Nachbesserung nicht auf einen Abzug „Neu für Alt“ berufen. Selbst wenn die Sanierung zu einem neuwertigen Zustand führt, wäre es eine Belohnung für vertragswidriges Verhalten, ihm hier einen Vorteil zuzusprechen. Dieses Vorgehen stärkt Ihre Position erheblich.

Denken Sie an ein Autohaus: Sie kaufen ein neues Auto, doch der Motor ist von Anfang an defekt. Der Händler weigert sich monatelang, zu reparieren. Sie würden nicht das Risiko eingehen, selbst einen neuen Motor zu bezahlen, in der Hoffnung, das Geld später zurückzubekommen. Ein Kostenvorschuss ist genau dieser Schutzschirm: Er stellt sicher, dass Sie nicht in Vorleistung gehen müssen, während der Verursacher seiner Verantwortung entgeht.

Vermeiden Sie es unbedingt, die Sanierung ohne gerichtliche Klärung oder die Sicherstellung eines Kostenvorschusses eigenmächtig zu beauftragen. Ohne einen gerichtlich zugesprochenen Vorschuss laufen Sie Gefahr, auf den gesamten Kosten sitzen zu bleiben und Ihr Geld mühsam einklagen zu müssen, wie der Fall des Bauträgers, der jahrelang die Zahlung verweigerte, verdeutlicht. Kontaktieren Sie umgehend einen auf Baurecht spezialisierten Anwalt. Prüfen Sie die Voraussetzungen für einen Kostenvorschuss und bereiten Sie eine Klage vor, falls der Bauträger die Mängelbehebung weiterhin verweigert.


zurück

Was tun, wenn der Bauträger meine Mängelansprüche ignoriert?

Wenn Ihr Bauträger Mängelansprüche ignoriert, ist passive Haltung ein Fehler. Es ist entscheidend, die Wirksamkeit der Bauabnahme umgehend prüfen zu lassen und, falls nötig, gerichtliche Schritte einzuleiten. Eine unwirksame Abnahme oder andere Formfehler können Ihre Verjährungsrechte erheblich verlängern – ein Fakt, der im Fall des 700.000-Euro-Urteils entscheidend war.

Die zentrale Frage ist oft der Beginn der Verjährungsfrist. Juristen nennen das „Startschuss“. Dieser fällt in der Regel mit der wirksamen Bauabnahme des Werkes. Doch genau hier liegt häufig der Haken: Eine unwirksame Abnahme – etwa durch eine nichtige Vertragsklausel, die den Erstverwalter pauschal zur Abnahme ermächtigt – lässt die Verjährungsfrist für Mängelansprüche gar nicht erst beginnen. Der Bauträger kann sich dann nicht auf abgelaufene Fristen berufen, selbst wenn er die Mängel über lange Zeit ignoriert hat.

Dieser Umstand stärkt Ihre Position erheblich. Gerichte sehen es kritisch, wenn Bauträger ihre Pflichten über Jahre missachten und dann versuchen, Vorteile daraus zu ziehen. Das Prinzip des „Neu für Alt“ beispielsweise, wo Ihnen ein Vorteil aus einer umfassenden Sanierung angerechnet werden könnte, wird bei solchem Verhalten oft abgelehnt. Eine über Jahrzehnte verzögerte Mängelbeseitigung bestraft den Verursacher, nicht den Geschädigten. Zögern Sie nicht, Ihre Rechte konsequent durchzusetzen.

Denken Sie an die Situation eines Rennens: Wenn der Startschuss wegen eines Fehlers nie gefallen ist, kann man Ihnen nicht vorwerfen, zu spät ins Ziel gekommen zu sein. Genauso verhält es sich mit der Verjährung Ihrer Mängelansprüche. Ist die Bauabnahme unwirksam, beginnt die Frist für den Bauträger schlichtweg nicht zu laufen.

Sammeln Sie umgehend alle relevanten Unterlagen zur Bauabnahme, insbesondere das Abnahmeprotokoll und Ihren Bauträgervertrag. Vereinbaren Sie danach schnellstmöglich einen Termin mit einem auf Baurecht spezialisierten Fachanwalt. Dieser kann die Wirksamkeit der Abnahme und die genauen Verjährungsfristen prüfen. Nur so sichern Sie Ihre Ansprüche und vermeiden, dass Sie auf hohen Kosten sitzen bleiben, wie es der Bauträger im Artikel versucht hat.


zurück

Wie rüge ich Baumängel richtig, um die Verjährung zu hemmen?

Der effektivste Schutz gegen die Verjährung von Baumängeln liegt nicht nur in einer korrekten Mängelrüge. Vielmehr kann eine unwirksame oder fehlende Bauabnahme Ihr stärkstes Bollwerk sein. Ohne eine rechtsgültige Abnahme beginnt die entscheidende fünfjährige Verjährungsfrist schlichtweg nicht zu laufen. Dieses grundlegende Prinzip war im Fall des 700.000-Euro-Urteils ausschlaggebend und entkräftete die Verjährungsargumente des Bauträgers vollständig.

Juristen nennen die Abnahme den Startschuss für die Verjährungsfrist. Diese fünfjährige Frist beginnt erst zu laufen, wenn das Werk vom Bauherrn wirksam abgenommen wurde. Eine zentrale Erkenntnis aus aktuellen Urteilen ist, dass viele Bauträgerverträge Klauseln enthalten, die das Abnahmerecht der Käufer unangemessen einschränken. Zum Beispiel, wenn der Erstverwalter pauschal zur Abnahme ermächtigt wird. Solche AGB-Klauseln sind oft von Anfang an nichtig. Eine unwirksame Abnahme hat eine weitreichende Konsequenz: Die Verjährungsfrist beginnt nie zu laufen.

Natürlich müssen Sie Mängel zeitnah rügen, selbst wenn eine Abnahme stattgefunden hat. Das ist essenziell. Im geschilderten Fall wurden die massiven Balkonmängel zwar erst 2012 gerügt. Doch weil die angebliche Abnahme von 2005 unwirksam war, war diese Rüge rechtlich noch fristgerecht. Detaillierte, präzise und nachweislich versendete Mängelrügen sind daher immer wichtig.

Denken Sie an die Situation, in der ein wichtiges Autorennen nicht starten kann, weil die Startflagge defekt ist. Die Rennwagen stehen bereit, doch solange die Flagge nicht korrekt geschwenkt wird, beginnt das Rennen – und damit auch die Zeitnahme für die Runden – einfach nicht. Genauso verhält es sich mit der Verjährungsfrist: Ohne eine korrekt „geschwenkte“ (wirksame) Abnahme fällt der Startschuss für die Verjährungsfrist gar nicht erst.

Dokumentieren Sie alle entdeckten Baumängel akribisch mit Fotos und Videos. Erstellen Sie eine schriftliche Mängelrüge, setzen Sie dem Bauträger eine konkrete Frist zur Beseitigung und versenden Sie diese unbedingt nachweislich, beispielsweise per Einschreiben mit Rückschein. Gleichzeitig sollten Sie Ihre Bauabnahme dringend von einem Fachanwalt für Baurecht prüfen lassen. Das ist Ihr stärkster Hebel, um zu verhindern, dass Ansprüche verjähren.


zurück

Welche Verjährungsfristen gelten bei arglistig verschwiegenen Baumängeln?

Der vorliegende Artikel konzentriert sich auf die normale fünfjährige Verjährungsfrist, die mit einer wirksamen Abnahme beginnt. Er betont, dass eine unwirksame Abnahme diese Frist gar nicht erst startet – das ist der Hauptschutz. Zwar behandelt der Artikel nicht explizit die verlängerten Fristen bei arglistig verschwiegenen Mängeln, weist aber indirekt darauf hin, dass die Prüfung der Abnahme der erste und oft entscheidende Schritt ist, um überhaupt über Fristen sprechen zu können.

Juristen nennen die reguläre Verjährungsfrist für Mängelansprüche im Baurecht fünf Jahre. Sie startet nicht sofort, sondern erst mit der wirksamen Abnahme des Werks durch den Bauherrn. Genau hier liegt der Haken und ein wichtiger Punkt, den viele übersehen: War die Abnahme unwirksam, beginnt diese Frist überhaupt nicht. Im Fall der 700.000 Euro war die angebliche Abnahme von 2005 rechtlich nicht existent, da eine unwirksame Vertragsklausel zugrunde lag. Dadurch war die Mängelrüge der WEG aus dem Jahr 2012 noch absolut fristgerecht. Dieser spezielle Gerichtsfall thematisierte keine arglistig verschwiegenen Mängel. Vielmehr lag der Fokus darauf, ob eine Verjährungsfrist aufgrund einer fehlerhaften Abnahme überhaupt in Gang gesetzt wurde. Das verdeutlicht die enorme Relevanz einer korrekten Abnahme.

Denken Sie an die Situation, als würde ein Rennen starten, aber der Startschuss fällt nie. Solange keine wirksame Abnahme erfolgt ist, ist kein Startschuss gefallen. Ihre Ansprüche laufen nicht ab, selbst wenn der Bauträger behauptet, die Ziellinie sei längst überschritten.

Vermeiden Sie es, sich bei vermuteter Arglist ausschließlich auf diesen Aspekt zu versteifen, ohne zuvor die Wirksamkeit der Bauabnahme genauestens prüfen zu lassen. Die Unwirksamkeit der Abnahme kann bereits ausreichen, um Ihre Ansprüche auch ohne den aufwendigen Nachweis der Arglist zu erhalten. Lassen Sie deshalb sofort durch einen Fachanwalt für Baurecht prüfen, ob die Abnahme Ihres Gebäudes überhaupt wirksam erfolgt ist. Dieser Schritt ist unabhängig von einer möglichen Arglist der erste und wichtigste Hebel gegen eine Verjährungseinrede und bildet die Basis für alle weiteren rechtlichen Schritte.


zurück

Was muss ich bei der Abnahme des Gemeinschaftseigentums beachten?

Bei der Abnahme des Gemeinschaftseigentums ist äußerste Vorsicht geboten. Ihr zentrales Abnahmerecht als Käufer darf nicht durch pauschale Klauseln in AGB eingeschränkt werden. Insbesondere ermächtigen manche Verträge den Erstverwalter ohne objektive Prüfung zur Abnahme. Solche Klauseln sind oft nichtig, wodurch die Verjährungsfrist für Mängelansprüche gar nicht erst zu laufen beginnt. Ein Fehler hier kann teuer werden.

Die Abnahme stellt einen Schlüsselmoment im Baurecht dar. Juristen nennen sie die offizielle Bestätigung des Bauherrn, dass das Bauwerk im Wesentlichen vertragsgemäß ist. Erst mit diesem Schritt beginnt die fünfjährige Verjährungsfrist für Ihre Mängelansprüche. Dieses fundamentale Recht der Käufer darf allerdings nicht pauschal entzogen oder auf Dritte übertragen werden, insbesondere wenn deren Objektivität und Sachkunde nicht sichergestellt sind.

Viele Bauträgerverträge enthalten sogenannte Allgemeine Geschäftsbedingungen (AGB). Dort finden sich leider oft Klauseln, die den ersten Verwalter pauschal zur Abnahme des Gemeinschaftseigentums ermächtigen. Gerichte sehen solche Formulierungen kritisch, da sie eine unangemessene Benachteiligung der Käufer darstellen. Solche Klauseln sind von Anfang an nichtig. Das bedeutet: Die Abnahme war rechtlich nie wirksam, und die Verjährungsfrist konnte gar nicht erst starten. Die Wohnungseigentümergemeinschaft (WEG) muss aktiv und bewusst über die Abnahme entscheiden, anstatt einfach eine unwirksame Vertragsklausel fortzusetzen.

Denken Sie an ein Zahnrad in einem komplexen Uhrwerk: Die Abnahme ist genau dieses zentrale Zahnrad. Dreht es sich nicht korrekt, kommt das gesamte Uhrwerk der Fristen und Rechte zum Stillstand. Oder noch besser: Ein fehlerhafter Startschuss bei einem Rennen. Wenn die Startpistole nicht richtig funktioniert, ist das Rennen nie offiziell eröffnet, egal wie lange die Läufer schon unterwegs sind. Im vorliegenden Fall bedeutete ein solcher Fehlstart für den Bauträger letztlich eine Nachzahlung von fast 700.000 Euro.

Handeln Sie proaktiv: Überprüfen Sie umgehend Ihren Bauträgervertrag und die Protokolle der ersten WEG-Versammlungen. Suchen Sie gezielt nach Klauseln zur Abnahme des Gemeinschaftseigentums. Gab es eine pauschale Ermächtigung des Erstverwalters zur Abnahme? Holen Sie sich bei Zweifeln unbedingt juristischen Rat von einem Fachanwalt für Baurecht. Vermeiden Sie es, einer solchen Abnahme durch den Erstverwalter ohne kritische Prüfung und expliziten, eigenständigen Beschluss der Eigentümergemeinschaft zuzustimmen. Sonst laufen Sie Gefahr, wertvolle Rechte zu verlieren und auf hohen Mängelkosten sitzen zu bleiben.


zurück

Hinweis: Bitte beachten Sie, dass die Beantwortung der FAQ Fragen keine individuelle Rechtsberatung darstellt und ersetzen kann. Alle Angaben im gesamten Artikel sind ohne Gewähr. Haben Sie einen ähnlichen Fall und konkrete Fragen oder Anliegen? Zögern Sie nicht, uns zu kontaktieren. Wir klären Ihre individuelle Situation und die aktuelle Rechtslage.


Glossar – Fachbegriffe kurz erklärt

Abnahme

Die Abnahme eines Bauwerks bedeutet, dass der Bauherr oder die Wohnungseigentümergemeinschaft offiziell bestätigt, dass das erstellte Werk im Wesentlichen vertragsgemäß und frei von wesentlichen Mängeln ist. Dieser Moment ist ein Schlüsselereignis im Baurecht, weil er eine Kette wichtiger Rechtsfolgen auslöst, wie den Beginn der Verjährungsfrist für Mängelansprüche und den Übergang der Gefahr auf den Bauherrn. Das Gesetz will damit klare Stichtage schaffen, um Rechtssicherheit für beide Seiten zu gewährleisten.

Beispiel: Im vorliegenden Fall erklärte das Gericht die angebliche Abnahme des Gemeinschaftseigentums durch den Erstverwalter im Jahr 2005 für unwirksam, weil die zugrunde liegende Klausel in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen nichtig war.

Zurück

Abzug „Neu für Alt“

Der Abzug „Neu für Alt“ ist ein rechtlicher Einwand, mit dem die Reparaturkosten um einen Wertvorteil gemindert werden sollen, den der Geschädigte erhält, weil ein altes, defektes Teil durch ein neuwertiges Ersatzteil ersetzt wird. Juristen wenden diesen Billigkeitsgedanken an, um eine ungerechtfertigte Bereicherung des Geschädigten zu verhindern. Manchmal muss sich jemand den Vorteil anrechnen lassen, wenn sein Eigentum durch eine Reparatur oder den Austausch plötzlich mehr wert ist als vor dem Schaden.

Beispiel: Das Gericht lehnte im beschriebenen Fall den Abzug „Neu für Alt“ ab, da der Bauträger die Sanierung der fehlerhaften Balkone über ein Jahrzehnt lang hartnäckig verweigert hatte und sein vertragswidriges Verhalten nicht belohnt werden sollte.

Zurück

AGB-Klausel

Eine AGB-Klausel ist eine vorformulierte Vertragsbedingung, die für eine Vielzahl von Verträgen bestimmt ist und oft einseitig von einer Vertragspartei, wie dem Bauträger, gestellt wird, um den Geschäftsverkehr zu vereinheitlichen. Gerichte prüfen solche Klauseln streng, um sicherzustellen, dass sie die andere Vertragspartei nicht unangemessen benachteiligen. Das Gesetz schützt Verbraucher vor einseitigen oder überraschenden Regelungen, die ihre Rechte stark einschränken würden.

Beispiel: Die Klausel im Bauträgervertrag, welche den ersten Verwalter pauschal zur Abnahme des Gemeinschaftseigentums ermächtigte, war eine unangemessene Benachteiligung der Käufer und somit von Anfang an nichtig.

Zurück

Kostenvorschuss

Ein Kostenvorschuss ist eine gerichtliche Anordnung, dass der Bauträger oder Verursacher einer Mängelbeseitigung die voraussichtlichen Reparaturkosten im Voraus an den Geschädigten zahlt, damit dieser die Mängel selbst beheben lassen kann. Juristen ermöglichen diesen Anspruch, damit Bauherren oder Wohnungseigentümergemeinschaften nicht in Vorleistung treten müssen, während der Verursacher seine Pflichten ignoriert. Dadurch wird das Recht auf ein mangelfreies Werk effektiv durchgesetzt und finanzielle Belastungen für die Geschädigten vermieden.

Beispiel: Die Wohnungseigentümergemeinschaft forderte vom Bauträger erfolgreich einen Kostenvorschuss von fast 700.000 Euro, um die massiven Mängel an den Balkonplatten sanieren zu können, nachdem dieser die Reparatur verweigert hatte.

Zurück

Sondereigentum

Das Sondereigentum bezeichnet jene Teile eines Gebäudes, die ausschließlich einem Wohnungseigentümer gehören und nur von diesem genutzt werden können, wie die einzelnen Wohnungen selbst oder bestimmte Garagenplätze. Das Wohnungseigentumsgesetz unterscheidet streng zwischen Sondereigentum und Gemeinschaftseigentum, um klare Zuständigkeiten für Instandhaltung, Kosten und Haftung zu schaffen. Tragende Bauteile eines Gebäudes können dabei niemals Sondereigentum sein, da sie für die Stabilität und den Wert des gesamten Objekts entscheidend sind.

Beispiel: Der Bauträger scheiterte mit seiner Behauptung, die kaputten Balkone seien Sondereigentum der jeweiligen Wohnungsinhaber, da tragende Bauteile wie Balkonplatten zwingend zum Gemeinschaftseigentum gehören.

Zurück

Verjährungsfrist

Eine Verjährungsfrist ist ein gesetzlich festgelegter Zeitraum, nach dessen Ablauf ein Schuldner die Erfüllung einer Forderung, etwa aus Mängeln, verweigern kann, auch wenn der Anspruch ursprünglich bestand. Juristen nutzen die Verjährung, um Rechtsfrieden und Rechtssicherheit zu schaffen. Sie verhindert, dass alte Forderungen unbegrenzt geltend gemacht werden können, und zwingt den Gläubiger, seine Rechte innerhalb einer angemessenen Zeit durchzusetzen.

Beispiel: Da die angebliche Abnahme von 2005 unwirksam war, hatte die fünfjährige Verjährungsfrist für die Mängelansprüche der Wohnungseigentümergemeinschaft nie begonnen, weshalb ihre Rüge im Jahr 2012 noch rechtzeitig war.

Zurück


Wichtige Rechtsgrundlagen


  • Abnahme und Beginn der Verjährungsfrist (§ 640 Abs. 1 BGB), [§ 634a Abs. 2 BGB]
    Die Abnahme ist die offizielle Bestätigung, dass ein Bauwerk im Wesentlichen vertragsgemäß errichtet wurde und markiert den Beginn der gesetzlichen Verjährungsfrist für Mängelansprüche.
    Bedeutung im vorliegenden Fall: Der Bauträger behauptete, eine Abnahme im Jahr 2005 hätte die fünfjährige Verjährungsfrist in Gang gesetzt, weshalb die 2012 gerügten Mängelansprüche verjährt gewesen wären.
  • Unwirksamkeit von unangemessenen Klauseln in Allgemeinen Geschäftsbedingungen (§ 307 Abs. 1 BGB)
    Klauseln in vorformulierten Verträgen (AGB) sind unwirksam, wenn sie den Vertragspartner unangemessen benachteiligen.
    Bedeutung im vorliegenden Fall: Die Klausel, die den vom Bauträger eingesetzten Erstverwalter pauschal zur Abnahme des Gemeinschaftseigentums ermächtigte, benachteiligte die Wohnungseigentümer unangemessen und war deshalb nichtig, wodurch die angebliche Abnahme von Anfang an unwirksam war.
  • Abgrenzung von Gemeinschafts- und Sondereigentum (§ 5 Abs. 2 WEG)
    Tragende Bauteile eines Gebäudes, die für dessen Bestand oder Sicherheit notwendig sind, gehören zwingend zum Gemeinschaftseigentum aller Wohnungseigentümer.
    Bedeutung im vorliegenden Fall: Das Gericht stellte klar, dass die statisch relevanten Balkonplatten zum Gemeinschaftseigentum gehören, wodurch die Wohnungseigentümergemeinschaft berechtigt war, die Mängelansprüche geltend zu machen, und nicht jeder Eigentümer einzeln klagen musste.
  • Kein Abzug „Neu für Alt“ bei Mängelbeseitigung nach langer Verweigerung (Allgemeiner Rechtsgrundsatz, § 242 BGB)
    Der Auftraggeber hat grundsätzlich einen Anspruch auf ein mangelfreies Werk und ein Abzug „Neu für Alt“ ist nur in Ausnahmefällen und unter Berücksichtigung von Treu und Glauben zulässig.
    Bedeutung im vorliegenden Fall: Der Bauträger konnte keinen Abzug „Neu für Alt“ geltend machen, weil er die Sanierung der Balkone über ein Jahrzehnt lang verweigert hatte; ein solcher Abzug hätte ihn für sein vertragswidriges Verhalten belohnt.

Das vorliegende Urteil


OLG München – Az.: 28 U 3253/23 Bau – Beschluss vom 19.12.2023


* Der vollständige Urteilstext wurde ausgeblendet, um die Lesbarkeit dieses Artikels zu verbessern. Klicken Sie auf den folgenden Link, um den vollständigen Text einzublenden.

Hinweis: Informationen in unserem Internetangebot dienen lediglich Informationszwecken. Sie stellen keine Rechtsberatung dar und können eine individuelle rechtliche Beratung auch nicht ersetzen, welche die Besonderheiten des jeweiligen Einzelfalles berücksichtigt. Ebenso kann sich die aktuelle Rechtslage durch aktuelle Urteile und Gesetze zwischenzeitlich geändert haben. Benötigen Sie eine rechtssichere Auskunft oder eine persönliche Rechtsberatung, kontaktieren Sie uns bitte.

Unsere Hilfe im Baurecht

Wir sind Ihr Ansprechpartner in Sachen Baurecht. Von der Baugenehmigung über Leistungsverzögerungen bis hin zu Baumängel.

Rechtsanwälte Kotz - Kreuztal

Rechtstipps aus dem Baurecht

Urteile aus dem Baurecht

Unsere Kontaktinformationen

Rechtsanwälte Kotz GbR

Siegener Str. 104 – 106
D-57223 Kreuztal – Buschhütten
(Kreis Siegen – Wittgenstein)

Telefon: 02732 791079
(Tel. Auskünfte sind unverbindlich!)
Telefax: 02732 791078

E-Mail Anfragen:
info@ra-kotz.de
ra-kotz@web.de

Rechtsanwalt Hans Jürgen Kotz
Fachanwalt für Arbeitsrecht

Rechtsanwalt und Notar Dr. Christian Kotz
Fachanwalt für Verkehrsrecht
Fachanwalt für Versicherungsrecht
Notar mit Amtssitz in Kreuztal

Bürozeiten:
MO-FR: 8:00-18:00 Uhr
SA & außerhalb der Bürozeiten:
nach Vereinbarung

Für Besprechungen bitten wir Sie um eine Terminvereinbarung!